

Hängung 2025

„Das Bild im Bild“
Zum Beginn der vierten Saison des Antonymen Salons gibt es wieder eine neue Hängung in den beiden Kabinetträumen, diesmal zum Thema „Das Bild im Bild“.
In unserer diesjährigen Salon-Ausstellung sind Werke von Anton Henning aus verschiedenen Phasen seines Œuvres zu sehen, in denen er teilweise auch eigene Bilder zu zitieren scheint. Sie kehren also als Bild im Bild wieder - oder aber Anton Henning erfindet gänzlich neue Sujets für seine Bilder im Bild.
Zugleich handelt es sich dabei um eines der ältesten Themen der Kunstgeschichte, ja das Phänomen des Bildes im Bild ist in seiner Komplexität möglicher Bezugnahmen und Aussagen unerschöpflich. Und dies gilt für die Malerei, aber ebenfalls für die Theater- und Filmkunst, Literatur, Musik, Fotografie, Architektur, Bildhauerei, KI-gestützte Kunst ... Was das Bild im Bild also mit uns macht, uns bedeutet und wie es funktioniert, all dies soll uns Anlass zum Gespräch sein.
Anregungen von Nils Pooker: » Das Bild im Bild: unheimliche Evidenz
Das Bild im Bild hat in der Kunst eine lange Tradition. Ein frühes Beispiel ist das Motiv des Heiligen Lukas, der die Madonna malt. Im Barock verweist das Bild im Bild auf sittliches oder unsittliches Handeln und neben Vermeers „Malkunst“ dienen Bilder als Allegorien oder Referenzen in zahlreichen Selbstbildnissen von Künstlerinnen und Künstlern. Unmengen von Bildern im Bild erscheinen in den Darstellungen von Wunderkammern und Kunstsammlungen als Inszenierung feudaler Repräsentation, als profane Ware sind sie Teil auf Watteaus berühmtem Ladenschild für den Kunsthändler Gersaint. Auf van Goghs Porträt des Pere Tanguy sitzt der Dargestellte vor einer Wand aus Bildern ostasiatischer Kunst, Bilder im Bild finden sich auf Werken des Kubismus, auf Collagen der Dada-Künstler, als Verweise im Surrealismus und als Inhalt auf Werken der Pop Art.
Subtil, aber wirkungsvoll inszenierte Wolfgang Beltracchi seine Kunstfälschungen als Bild im Bild, indem er sie an der Wand hinter seiner Frau inmitten alter Möbel mit einer Plattenkamera im Stil des frühen 20. Jahrhunderts fotografierte und sie so als vermeintliche Originale erscheinen ließ.
Unabhängig von der Funktion wird dem Bild im Bild mit seiner Evidenz per se die Möglichkeit einer realen Existenz zugeschrieben. Die Evidenz ist eindeutig, es ist schließlich sichtbar und erkennbar, eine reale Existenz ist immerhin möglich, egal, ob es sich um ein fiktionales Werk wie das imaginäre Madonnenbildnis aus der Hand des Heiligen Lukas handelt oder um ein bekanntes Gemälde auf der Darstellung einer historischen Kunstsammlung.
Das Bild im Bild hat einen doppelten Charakter, es ist nicht nur Teil eines gemalten Bildes, es erscheint auch als eigenständiges Werk. Dieser Doppelcharakter führt dazu, dass man bei der Betrachtung von Kunstkammer-Bildern intuitiv versucht, diese Werke im Bild zu enträtseln und zu entschlüsseln und sie realen Gemälden zuzuordnen. Auf Watteaus Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint legt ein Mitarbeiter ein Bildnis Ludwig XIV. in eine mit Stroh gefüllte Transportkiste, laut Wikipedia eine Replik oder Kopie als Ausschnitt von Hyacinthe Rigauds berühmtem Paradebildnis Ludwigs XIV.
Wikipedia beantwortet nicht die naheliegende Frage, ob das Gemälde tatsächlich existierte. Könnte es sich nicht genauso gut um ein fiktionales Bild handeln, eine naheliegende Idee, da der Name von Gersaints Laden „Au Grand Monarque“ lautete? Falls es tatsächlich existierte, stellen sich weitere Fragen. Kannte Watteau das Bild und hat er es als Vorlage für sein Bild im Bild verwendet? War es so groß, wie Watteau es malte, oder hat er das Bild in künstlerischer Absicht viel kleiner oder beschnitten dargestellt, damit es zur Gesamtkomposition des Ladenschildes passte?
Bei einigen Interieurs von Anton Henning gibt es ebenfalls Bilder im Bild, sie passen im typischen Stil und mit typischen Inhalten perfekt in sein Œuvre. Auch hier fragt man sich, ob sie wirklich existieren, und man wünscht sich vielleicht, einmal in seiner Berliner Wohnung oder im Atelier in Manker auf die Suche danach zu gehen. Das genau macht das Besondere am Bild im Bild aus, denn wohl niemand käme auf den Gedanken, die Existenz eines gemalten Stuhls, Tisches oder einer Lampe in der Realität nachzuprüfen.
Damit ist ein Bild im Bild immer ein eigenständiges Objekt. Vielleicht berührt es sogar mehr als das Bild, in dem es auftaucht. Als eigenständiges Objekt ist es aber in einem anderen Bild für immer gefangen, ohne eigene Materialität und damit ohne Beweis seiner Existenz. Es bleibt ungreifbar, geradezu unheimlich.«
Credits
oben: Anton Henning Interieur mit Blumenstilleben und Früchten, No. 10, 2021, Öl auf Leinwand, 150 cm x 180,3 cm
unten: Anton Henning Interieur No. 655, 2024, Öl auf Leinwand, 180 cm x 150 cm (Foto: Jörg von Bruchhausen)
© Anton Henning, VG Bild Kunst Bonn, 2025
